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A contracorriente
Ya tenemos una programación digna de Europa en Madrid
Por Publicado el: 04/04/2011Categorías: En la prensa

In Madrid wächst der Unmut über Opernchef Mortier

Zu wenige Spanier
In Madrid wächst der Unmut über Opernchef Mortier
Frankfurter Allgemeinn
MADRID, 28. März Ob es gefährlich wird, ist noch nicht abzusehen, aber wozu enttäuschte Opernliebhaber fähig sind, weiß man in Madrid spätestens, seit wütende Besucherinnen des Teatro Real bei einem missglückten Gedenkkonzert für den Tenor Alfredo Kraus vor vielen Jahren die feinen Stöckelschuhe von den pedikürten Füßen zogen und mit ihren High Heels mehrere Saaltüren zerstörten. So weit ist es diesmal noch nicht. Doch der Konflikt blubbert und brodelt.
Er dreht sich um die Programmpolitik des künstlerischen Leiters Gérard Mortier, der kürzlich die Spielzeit 2011/12 des Teatro Real präsentierte, die erste, die er vollständig allein verantwortet. Dabei stieß er bei einem Teil der Presse und des Madrider Musikpublikums auf heftige Ablehnung. Mortier nämlich lässt vor allem Opern des zwanzigsten Jahrhunderts spielen (erste Sünde), es sind keine spanischen Komponisten dabei (zweite Sünde), und in der kommenden Spielzeit wird am Teatro Real, wenn man den Weltstar Plácido Domingo einmal beiseitelässt, keine einzige wichtige Rolle mit einem spanischen Sänger besetzt (dritte Sünde). Mortier habe, so schreibt die asturische Zeitung “La Nueva España”, “das große Opernrepertoire vollständig hinweggefegt: Nicht ein einziger Titel von Verdi, Puccini, Donizetti, Rossini, Bellini oder Bizet, um einmal allseits bekannte Komponisten zu nennen.” Noch etwas pathetischer bemerkt die Zeitung “ABC”, das Teatro Real verabschiede sich “vom Belcanto, vom Realismus, vom Lachen, von den Tränen”.
Auf institutioneller Seite droht Mortier keine Gefahr. Sein Amtsantritt am 1. September 2010 muss mit der Hoffnung verbunden gewesen sein, er werde den Madrider Traditionsschuppen gut auslüften und modernisieren. Schließlich sind seine Handschrift, seine Methoden, seine Neigungen und Lieblingskünstler weithin bekannt. Auch, dass es unter ihm nicht unbedingt eine Händel-Renaissance geben würde, war zu erwarten. Aus seiner Ernennung durften Beobachter schließen, dass Madrid gerade etwas anderes brauche als Renaissancen des Traditionellen und Bewährten. Vieles davon hat der belgische Opernchef bisher eingelöst. “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” zum Beispiel war ein voller Erfolg, und vielleicht darf man die Provokation der klassischen Moderne gelegentlich wiederholen.
Doch die Ankündigung der ersten eigenen Spielzeit war wohl zu viel. Dabei wird in Madrid ein Schwung moderner Klassiker auf die Bühne kommen, etwa “Elektra” von Strauss, “Pelléas et Mélisande” von Debussy und “Lady Macbeth von Mzensk” von Schostakowitsch. Dazu Mozarts “La Clemenza di Tito” sowie zwei konzertante Aufführungen von “La finta giardiniera” durch René Jacobs, eine Monteverdi-Bearbeitung durch Philippe Boesmans, die Oper “I due Figaro” von Saverio Mercadante, der um 1830 ein paar Jahre in Madrid gearbeitet hat, und als radikales Gegenwartsstück “The Life and Death of Marina Abramovic”. Grund für einen Aufstand der Gerechten? Wohl kaum. Eher Grund zur Neugier.
Doch es geht auch um die nationale Sache, und damit ist nicht zu spaßen. Ein Manifest enttäuschter spanischer Sänger wurde ruchbar, die Unterschriften sammeln, um beim spanischen Kulturministerium die Absetzung des Opernleiters zu fordern. Die Unterzeichneten “sehen sich gezwungen, die Erklärungen Herrn Mortiers öffentlich zurückzuweisen und die Qualität unserer Arbeit zu verteidigen”. Ihre Empörung rührt nicht allein daraus, dass die Anwesenheit spanischer Sänger auf dem Spielplan des Tetro Real “praktisch nicht existent” sei, sondern auch aus der Bemerkung des Opernchefs, spanischen Sängern mangele es an Stil, sie sängen Verdi genauso wie Puccini, und von Mozart verstünden sie schon gleich gar nichts. Die weitere Äußerung Mortiers, es bedürfe einer Gesangsakademie, um den Sängern Stil beizubringen, empfinden die Unterzeichner des Manifests als “nicht hinnehmbar”. Sie verweisen auf die lange Traditionslinie großer spanischer Vokalisten seit dem neunzehnten Jahrhundert, die in den Opernhäusern von Wien, Paris, Berlin, Rom, New York, Zürich, Amsterdam, Salzburg oder Mailand große Erfolge gefeiert hätten.
Bisher wurde das Manifest vom Provinzblatt “La Gaceta” kommentiert, auf Liebhaberwebsites breitgetreten und in “ABC” eines Artikels gewürdigt. Keine Zeile jedoch findet sich in der Zeitung “El País”, die das Projekt Mortier mit großem Wohlwollen begleitet. Das publizistische Echo auf die Aktion ist also verhalten, und ein Grund dafür mag sein, dass die ganz großen Namen auf der Liste fehlen: kein Plácido Domingo, keine María Bayo, sondern eher Ana María Sánchez. Mortier selbst, so hieß es aus seinem Umfeld, sei ganz ruhig. Das erste öffentliche Votum erfolgt im Mai und Juni, wenn die Opernabonnements erneuert oder gekündigt werden. Mit dem Thema Geld ist in Krisenzeiten nicht zu spaßen.PAUL INGENDAAY

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